Ehemalige Bushersteller
Steib - Eiserfeld
14.11.2007 - 00:00


Gebr. J. & H. Steib, Karosserie- und Fahrzeugbau

Johann Steib
Obwohl schon seit 1910 im Stellmacher- und Karosseriehandwerk tätig, dürfte die Firma Steib aus Eiserfeld/Sieg zu den weniger bekannten Karosseriefirmen gehören, die Omnibusaufbauten hergestellt haben. Der Stammbaum der Familie läßt sich bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen, wo die Steibs bereits als Stellmacher im Elsass tätig waren. Damals fertigten sie aber hauptsächlich Stützhölzer für Weinreben, sogenannte Steipen, woher auch ihr Familienname stammt, der seinerzeit noch mit P am Ende geschrieben wurde.

1868 eröffnete August Steib in Wissen eine Stellmacherei, der sich anfangs mit der Herstellung von Ackergeräten beschäftigte. Diesen Betrieb übernahm 1910 sein Sohn Johann. Inzwischen hatte sich das Stellmacherhandwerk zum Karosseriebau gewandelt, was Johanns Sohn Josef Steib dazu bewog, eine Lehre als Karosseriebauer zu beginnen. Bereits 1924 erwarb er dann auch noch den Meistertitel. Nach dem Tode seines Vaters führte Josef Steib den Betrieb dann ab dem Jahre 1922. 1930 trat sein Bruder Heinrich ebenfalls in das Unternehmen ein.

In dem kleinen Unternehmen wurden Anfangs Lkw-Karosserien, wie üblich überwiegend aus Holz, angefertigt. Cirka 1925 wurde dann der erste Omnibus karossiert.

Mit der Omnibusfertigung stieg auch die Auftragslage. Ein Umstand, der dazu zwang die Produktionsstätte zu vergrößern. So erwarb man ein Gelände in Eiserfeld, wo ab 1939 die Produktion fortgesetzt wurde.


Einer der der ersten Omnibusse auf einem Büssing-NAG 300 N, ca. 1932

Doch kaum in den neuen Produktionsstätten angekommen, brach der Zweite Weltkrieg aus und machte alle Pläne von einem großen Omnibusbau zunichte. Ab jetzt wurden Fahrzeuge und Anhänger sowie andere Rüstungsgüter gebaut. Dazu kam, dass nach einem Bombentreffer 1944 die Halle zerstört wurde. Unter diesen Vorzeichen war der Wiederbeginn nach dem Krieg nicht einfach.

Da die Nachfrage nach Omnibussen gegen Null tendierte, begann man zuerst mit der Instandsetzung von Nutzfahrzeugen und dem Umbau von Militärfahrzeugen für zivile Zwecke. Hilfreich war auch die Weisung der Alliierten 1947 480 Lieferwagen auf dem Opel-Blitz Eineinhalbtonner herzustellen. Das waren die ersten Neufahrzeuge nach dem Krieg. Trotzdem wurde parallel dazu an der Verbesserung der Ganzstahl-Omnibusaufbauten gearbeitet.

Anfang 1949 konnte man dann die ersten Busse in Stahl-Leichtbauweise vorführen. Durch Ihr geringeres Eigengewicht, konnte eine höhere Nutzlast erzielt werden, was beim Mercedes O 3500 beispielsweise zu einer Sitzreihe mehr führte. Es waren übrigens meist Reisebusse, auch mal ein Überlandbus, aber keine Busse für den Stadtlinienverkehr, die das Werk in Eiserfeld verließen. Auch hatte man frühzeitig begonnen, eine rationelle Bauweise einzuführen. Ab 1951 war diese soweit entwickelt, dass man schon fast von einer Baukasten-Fertigung sprechen konnte, obwohl die Busse auf jedem Fahrgestell aufgebaut wurden, welches der Kunde wünschte. Um dies zu erreichen, besaßen alle Busse denselben Fensterteiler mit stets gleich langen Seitenscheiben. Unterschiede in der Länge wurden durch kurze Füllfenster oder Differenzen bei der Türbreite ausgeglichen.


Ein Aufbau auf einem Ford G1 Y 10B-Fahrgestell von 1951

Als Basis für die Omnibusaufbauten wurden Fahrgestelle aller namhafter Hersteller verwendet. Das ging von Borgward, Opel, Hanomag, Büssing oder Mercedes. Wobei Fahrgestelle von Mercedes überwiegten.


Ein Krupp SW O 60 von 1951

Die Produktion belief sich in den fünfziger Jahren auf ca. 30 bis 40 Busse jährlich. Die Kundschaft kam dabei aus der näheren Umgebung des Siegerlandes. Dazu kamen Kunden aus dem Westerwald und dem Rheinland.


Ein Büssing 6000 T von 1952

Doch so sehr die Omnibusse von Steib bei privaten Omnibusunternehmern geschätzt waren, so wenig Erfolg konnte Steib bei Linienbussen erzielen. Sie ließen sich einfach nicht zu den Preisen bauen, die in diesem Sektor wettbewerbsfähig waren. Deswegen waren die gebauten Linienbusse Einzelstücke, die zudem nur für den Überlandverkehr gedacht waren.


Ein MAN von 1954

Inzwischen waren auch die Kinder von Josef und Heinrich Steib in den Familienbetrieb eingetreten. Herausragend war dabei aber nur der Sohn von Josef Steib Erhard. Nach einer Karosseriebauer-Lehre im Betrieb, studierte er 1957 an der Ingenieursschule für Fahrzeugtechnik in Hamburg. In seiner Abschlußarbeit kreierte er unter anderem auch das Konzept für einen modernen Reisebus. Dieser wurde unter der Bezeichnung M 61 auf der IAA vorgestellt.


Ein Aufbau auf einem Mercedes O 3500 - 1953


Das Gesellenstück von Erhard Steib. Ein Aufbau auf einem Borgward BO 4500 - 1953

Augenfällig bei diesem Modell M 61 waren die Ähnlichkeiten zu dem Neoplan Typ Hamburg. Das kam auch nicht von ungefähr, denn zur gleichen Zeit wie Erhard Steib studierten auch Albrecht Auwärter und Bob Lee dort. Und so darf es keinen verwundern, dass diese sich untereinander mit ihren Ideen ausgetauscht haben.


Eine Werbeanzeige aus dem Jahre 1954

Die Produktion selbsttragender Busse nahm man bei Steib jedoch nicht auf. Zum einen, weil man Schwierigkeiten hatte Aggregate dafür zu bekommen, zum anderen weil man mit den neuen Modellen genug zu tun hatte und nicht noch den Bau selbsttragender Busse als neue Sparte einführen konnte. Obendrein bot die Verwendung von Chassis anderer Hersteller den Vorteil, dass diese auch den Service für Fahr- und Triebwerke übernehmen mussten. Aus diesen genannten Gründen verwendete Steib fortan Fremdfahrgestelle von Mercedes und MAN. Später kam auch noch das Fahrgestell von Magirus-Deutz Saturn II dazu.

Mittlerweile hatte sich der Kundenkreis auf die gesamte Bundesrepublik und das benachbarte Ausland erweitert. Die Produktionszahlen erreichten Werte von bis zu 120 Bussen pro Jahr. 1965 löste die Baureihe M 65 die bisherige Baureihe M 61 ab. Hauptgrund war die Einführung des O 302 durch den Haupt-Fahrgestellieferanten Mercedes. Auch bot die Glasindustrie nun die Möglichkeit, gewölbte Seitenscheiben aus einem Stück herzustellen.


Ein Mercedes O 302 des Modells 65 von 1966

Doch so innovativ und fortschrittlich Steib auch Busse baute, so schützte es ihn nicht davor, in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu geraten. Mitte der sechziger Jahre kam es zu einer Rezession, die auch das Omnibusgewerbe nicht verschonte. Die Folge war ausbleibende Aufträge aus der Reisebusbranche, die Steib besonders hart traf, da er nur Reisebusse baute. Dazu kam, dass ein großer Teil des Betriebsgeländes für den Bau der Autobahn „Sauerlandlinie“ abgegeben werden musste. Das schränkte die Erweiterungsmöglichkeiten enorm ein. Obendrein erkrankte Josef Steib schwer, der bis dahin noch immer aktiv im Unternehmen tätig war. Aufgrund dieser schwierigen Gesamtsituation wurde 1969 der Omnibusbau bei Steib eingestellt. Für kurze Zeit wurden noch Kofferaufbauten für Blumhardt hergestellt, doch danach wurde die Produktion endgültig eingestellt und die Firma liquidiert.



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