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Setra S 8 *
22.01.2008 - 00:00

Setra S 8
  • Start einer neuen Omnibusmarke
  • Ein neues Konzept setzt sich durch


Anfang der fünfziger Jahre hatte sich vieles in der Welt verändert, nur der Omnibusbau nicht. Noch immer wurden Omnibusse auf Fahrgestellen aufgebaut, die ursprünglich für Lkw´s gedacht waren. Diese Fahrgestelle waren, wenn überhaupt, tiefer gelegt, verfügten über einen längeren Radstand und vielleicht eine weichere Federung. Mehr war nicht drin, denn eine individuelle Bauweise für Omnibusse lohnte sich nicht. 15.083 Omnibussen standen 1950 385.442 Lastwagen gegenüber. Man sieht also, wo der Schwerpunkt lag.

So blieb den Omnibusbauern auch weiterhin nichts anderes übrig, als auf den von den Lkw-Herstellern gelieferten Fahrgestellen ihre Omnibusse aufzubauen. Und hier lag das Problem: Mit Beginn des wirtschaftlichen Aufschwungs stieg auch die Nachfrage nach neuen Lastwagen. Warum sollte ein Lkw-Hersteller nur das Fahrgestell verkaufen, wenn für den kompletten Lkw mehrere Kunden anstanden und sich dadurch höhere Preise erzielen ließen? So entstand die Situation, dass viele Omnibushersteller, wenn überhaupt, Fahrgestelle nur noch in geringerer Stückzahl bekamen.


Setra S 8 – 1951

Vor genau diesem Problem stand auch Otto Kässbohrer. So stellte er und sein Chefkonstrukteur Georg Wahl sich die Frage: „Brauchen wir überhaupt ein Lkw-Fahrgestell?“ Schließlich hatte man vor zwanzig Jahren bereits Pkw´s mit einer selbsttragenden Karosserie gebaut. Konnte man dieses Prinzip nicht auf den Omnibus übertragen? Zugegebenermaßen waren solche Überlegungen zur damaligen Zeit mutig. Sie stellten die bisherige Bauform eines Omnibusses komplett in Frage.

Doch Otto Kässbohrer und Georg Wahl entschieden sich dafür, diesen Weg zu beschreiten. Sie entwarfen für den neuen Bus ein sogenanntes Gerippe. Hierbei bildete ein fachwerkartiger Kastenträger, der sogenannte Gittersteg, das Rückgrat des Fahrzeugs. Er bestand aus Vierkant-Stahlprofilen, die miteinander elektrisch verschweißt wurden. Versteift wurde er durch zusätzliche Diagonalstreben. Der Wagenkörper bestand ebenfalls aus einem Fachwerkgerüst aus Vierkant-Stahlprofilen. Auf dieses Grundgerüst wurde dann die Außenhaut, bestehend aus Leichtmetall, aufgeschweißt bzw. aufgenietet.


Ein Bild, das Aufsehen erregte. Sechs Arbeiter tragen das Gerippe, auf dem der S 8 aufgebaut wurde.

Ein weiterer Vorteil dieser Bauweise war, man konnte das Fahrzeug nun den Bedürfnissen des Fahrgastes anpassen. Hierzu gehörten eine bessere Raumausnutzung, mehr Bequemlichkeit, mehr Komfort und mehr Gepäckraum. Ein weiterer Vorteil war die Gewichtsersparnis. So brachte der neue Bus nur 5 t auf die Waage und sein Gesamtgewicht betrug 8,7 t.

1951 war es dann soweit. Der erste Bus stand auf seinen eigenen Rädern und sollte nun die Halle verlassen. Also Motor anlassen, Gang einlegen – und der Bus fuhr rückwärts. Man hatte im Eifer versehentlich das Getriebe falsch angeflanscht. Der Fehler wurde behoben und es ging auf ausgiebige Testfahrten. Er wurde auf Autobahnen, Paßstraßen in den Alpen sowie guten und schlechten Straßen strapaziert. Sämtliche Messungen bestätigten die Erwartungen. Die Festigkeit des Wagenkörpers war mehr als erreicht und die Fahreigenschaften übertrafen alles Bisherige.


Eine Konstruktionszeichnung des Setra S 8

Der neue Omnibus, aufgrund seiner selbsttragenden Bauweise hatte er inzwischen den Namen „Setra“ erhalten, war 9,30 m lang und wurde von einem 95 PS Henschel Sechszylinder angetrieben. Dieser war im Heck längsstehend eingebaut und über eine kurze Kardanwelle mit der Hinterachse verbunden. Damit unerwünschte Schwingungen unterblieben und zur besseren Geräuschdämmung war er in Gummi gelagert.

Der Prototyp hatte noch einen vorne liegenden Kühler. Das führte aber in der Praxis mitunter in den nach hinten führenden langen Kühlerschläuchen zu Blasenbildungen, sodass in der Serie der Kühler ins Heck verlegt wurde. Aus diesem Grund „zierte“ nun die Heckklappe ein Lüftungsgitter. Außerdem hatten die ersten Modelle eine „kantig“ gestaltete Heckklappe, was später aber wieder abgestellt wurde. Die späteren Modelle erhielten dafür seitlich abstehende Lufteinlässe, die sogenannten „Öhrchen“. Auch diese verschwanden später wieder.


Die Unterschiede in den Heckansichten. Links die kantige Form, rechts die spätere abgerundete Form mit den „Öhrchen“.

Nachdem die Testreihen beendet waren, wurde der Setra S 8, die Typenbezeichnung hatte er wegen seiner 8 Sitzreihen erhalten, der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Resonanzen waren gespalten. Einserseits war man von dem neuen Konzept begeistert, andererseits trauten viele einem „Omnibus ohne Fahrgestell“ nicht. Trotzdem fand dieser erste Setra sofort einen entschlossenen Käufer. Bei diesem Unternehmen blieb der Bus vierzehn Jahre und legte in dieser Zeit über eine Million Kilometer zurück ohne nennenswerte Reparaturen.

Dieser Kunde war es auch der half, einen immer größer werdenden Kundenkreis für das neue Omnibuskonzept zu erschließen. An dieser Stelle sei gesagt, dass Kässbohrer nicht der erste war, der einen selbsttragenden Omnibus gebaut hatte. Vor ihm hatten schon andere Hersteller einen selbsttragenden Omnibus gebaut, waren aber mitunter an technischen Schwierigkeiten gescheitert bzw. hatten dieses Projekt nicht weiter verfolgt. Otto Kässbohrer dagegen war es gelungen, dieses neue Konzept auch auf dem Markt zum Erfolg zu führen.

1952 ging der Setra S 8 in Serie und auf der nächsten Automobilausstellung drehten sich die Fragen nicht mehr um das Konzept, sondern nur noch um Ausstattung und weitere Modellgrößen. Wie erfolgreich dieses Modell war zeigt, das bereits vier Jahre nach der Vorstellung der tausendste Setra das Werk verließ.


Der erste Prospekt des Setra S 8

Mit dem Bau eines Omnibusses in selbsttragender Bauweise hatte man sich nun endgültig vom Lkw gelöst. Damit fand, um Otto Kässbohrer zu zitieren, „ein technischer Anachronismus ein Ende“, wie es die Verwendung von gleichen Fahrgestellen für Personen- und Güterverkehr darstellte. Auch in der Sicherheit wurde investiert. Der Setra S 8 hatte nicht nur verstärkte Bremsen, sondern auch serienmäßig eine Motorbremse. Ein Umstand, der damals durchaus nicht üblich war. Erst viel später wurde die Motorbremse als dritte Bremse bei Omnibussen gesetzlich vorgeschrieben.

Als Kässbohrer 1953 den nächstgrößeren Setra, einen S 10, vorstellte, hatten auch die anderen Hersteller erkannt, dass die Zukunft des Omnibusbaues nicht mehr auf dem Lkw-Fahrgestell lag und boten nun ebenfalls selbsttragende Busse an. Auch erkannte man die Vorteile des im Heck liegenden Motors. Werbeanzeigen aus dieser Zeit propagierten dann auch den „Heck-Omnibus“ als das Nonplusultra.

Über fünfzig Jahre sind inzwischen vergangen und der Omnibus von heute entspricht nicht mehr dem Omnibus von damals. Aber die Grundprinzipien sind auch heute noch gültig.


Der Fahrerplatz des Setra S 8. Einfach, aber funktionell.



Technische Daten – Setra S 8 (Typenblatt)

Fotos:
Kässbohrer Fahrzeugwerke GmbH
Omnibusarchiv
Video-Clip:
Kässbohrer Fahrzeugwerke GmbH


admin


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