Geschichte
Der Berliner Omnibus II
05.03.2011 - 01:00

Der Berliner Omnibus – II

Behördliche Abnahme des ersten Berliner Autobusses: Ein Daimler-Decksitzer.

Es war die ABOAG, die sich die meisten Gedanken über die Einführung des Autobusses machte. Pech für sie, dass die Polizeibehörde schon vorher auf die Idee gekommen war und sich dann Gedanken über die drohende Gefahr gemacht hatte. Sie erließ eine Anzahl von Vorschriften die dazu führten, dass ein ganz neuer Wagentyp gebaut werden musste.

Am 19. November 1905 war es dann doch soweit: Auf der Linie 4 zwischen Halleschem Tor und Chausseestraße wurde der Pferdeomnibusverkehr „verkraftet“, wie es im amtsdeutsch hieß.

Die Berliner jedenfalls waren von dem neuen Autobus begeistert. Bei den ersten Fahrten versuchten einige zu Fuß mit dem Bus Schritt zu halten, gaben jedoch wegen der nicht erwarteten Geschwindigkeit schnell auf.

Der Decksitzer, der Imperial, wurde von den Berlinern respektlos „Blumenbrett“ genannt. Die Fahrgäste saßen oben ungeschützt und waren Wind und Wetter preisgegeben. Obendrein machten sich Passanten im Winter einen Spaß daraus, die Fahrgäste auf dem Oberdeck mit Schneebällen zu bewerfen.

Von zwei Decks konnte man bei den ersten Omnibussen allerdings nicht sprechen. Man saß oben praktisch auf dem Dach und zwar auf längsgestellten Bänken Rücken an Rücken. Das war nicht nur unbequem, sondern auch gefährlich. Deshalb warnten Schilder mit folgender Inschrift:

Zitat
“Vorsicht vor Gefahr vor unter u. auch hinter den Überführungen!“

Grammatikalisch waren diese Schilder keine Glanzleistung, aber sie werden wohl ihren Zweck erfüllt haben.


Ein weiterer Daimler-Bus. Abgebildet auf einer Ansichtskarte.

Doch ganz zufrieden war man bei der ABOAG mit dem Daimler-Omnibus anscheinend nicht. Man sah sich auch bei anderen Herstellern um und bestellte im Jahre 1906 bei der französischen Firma Kriéger ein Chassis, welches in Deutschland seinen Aufbau erhielt.


Benzin-elektrischer Bus von Kriéger.

Dieser Bus besaß einen Dynamo, der zwei Elektromotoren für die Hinterräder antrieb. Der Dynamo wiederum wurde von einem 24-PS Benzinmotor angetrieben. Ob sich der Bus bewährte ist nicht überliefert, jedenfalls wurden keine weiteren Busse dieser Art angeschafft.

Um den Unbequemlichkeiten der Decksitze Rechnung zu tragen, stellte die ABOAG 1906 einen neuen Bustyp in Dienst. Er bot im Innern 24 statt 16 Personen Platz. Dies wurde durch eine größere Länge des Wagens erreicht und auch dadurch, dass der Fahrer über dem hinteren Teil des Motors saß. Gebaut hatte diesen Bus die Firma Büssing, die damit ihren Einstieg bei den Berliner Bussen erreichte. Später wird sie den größten Teil der Berliner Omnibusse stellen.


Erster Omnibus für Berlin von Büssing.

Neben der ABOAG trat noch ein weiterer Mitbewerber auf den Plan: Die Städtische Straßenbahn Berlin. Sie hatte mit Interesse den Autobusverkehr beobachtet und beschlossen ihre Linien durch Omnibuslinien zu ergänzen. Zu diesem Zweck wurde 1906 die „Große Berliner Motorenomnibus-Gesellschaft“ gegründet. Doch erst 1907 konnte der Betrieb aufgenommen werden. Für den Betrieb hatte man 60 Omnibusse bestellt. 40 Stück kamen von Daimler und 20 Stück von der NAG (Neue Automobil Gesellschaft). Die Große Berliner Motorenomnibus-Gesellschaft hatte 6 Linien genehmigt bekommen, führte diese wegen Tarifunstimmigkeiten zunächst nicht durch, sondern richtete erst einmal einen Ausflugsverkehr ein. Hier fuhren die Busse einmal vom Nollendorfplatz über Benezhof zur Alten Fischerhütte und zu Onkel-Toms-Hütte. Eine andere Ausflugslinie führte von der Turmstraße nach Karlshof. Diese Ausflugslinien sollte ursprünglich nur Sonntags befahren werden. Weil aber viele auch Werktags ins Grüne wollten, wurde die Linie auch an Wochentagen bedient. Mit dem Linienverkehr hatte die Gesellschaft auch kein Glück. Von den 6 genehmigten Linien wurden nur 2 eröffnet und ab 1911 fand sich keine Spur mehr von der großen Berliner Motorenomnibus-Gesellschaft.

Hatte man inzwischen Erfahrung mit der neuen Technik des Motoromnibusses gewonnen, so sann man doch immer noch auf Alternativlösungen. Bei der ABOAG verfiel man dabei auf den Dampfbetrieb. Zu diesem Zweck bestellte man bei Hanomag in Hannover einen Dampfomnibus. Offenbar war man damit aber nicht sehr erfolgreich, denn im gleichen Jahr 1908 wurden die Versuche mit diesem Bus wieder eingestellt.


Dampfomnibus von Hanomag. Die Kraftübertragung erfolgte von der Dampfmaschine auf die Hinterachse durch Kettenantrieb. Der Wagen wies 14 Sitzplätze im Innern und 6 Stehplätze auf der Plattform auf.

Neben den Daimler- und Büssing-Omnibussen lieferte auch die „Neue“ später „Nationale Automobil-Gesellschaft A.-G.“ (NAG) aus Oberschöneweide, eine Tochtergesellschaft der AEG, Eindeck-Omnibusse an die ABOAG. Die geschlossenen Wagen mit Stehperron hatten innen 13 Sitz- und 4 Stehplätze und außen 8 Stehplätze. Diese Fahrzeuge hatten eine rote Farbgebung nach dem Vorbild der Londoner Muster, die die ABOAG versuchsweise eingeführt hatte. Bei der Bevölkerung setzte sich diese Farbgebung jedoch nicht durch, so dass man wieder zu den alten Farben zurückkehrte.


NAG Omnibus der Type 7 von 1913

Doch trotz aller Schwierigkeiten gelang es der ABOAG zu überleben. Man lernte auch mit dem Material schonender umzugehen und es gewinnbringender einzusetzen. Mit diesen Erfahrungen ging man nun daran, einen eigenen Omnibus zu konstruieren. Das Ergebnis war der RK-Wagen.


Der RK-Wagen. Ein eigener Kraftomnibustyp, von dem zwischen 1921 – 1924 140 Stück gebaut wurden.

Doch inzwischen war der 1. Weltkrieg ausgebrochen, was zur Folge hatte, dass ein Großteil der Fahrzeuge an die Armee abgegeben werden musste und Neuanschaffungen so gut wie unmöglich waren. Für die ABOAG war es ein Glück, dass sie den Pferdeomnibusverkehr noch nicht ganz aufgegeben hatte und somit die Kriegszeiten überdauern konnte.

Am 9. November 1918 war der 1. Weltkrieg beendet. Der Omnibusbestand der ABOAG von ehemals 336 Omnibussen auf ganze 10 zusammengeschrumpft. Wegen der hohen Betriebskosten und dem permanenten Bebtriebsstoffmangel war mit diesen 10 Bussen kein regelmäßiger Betrieb aufrecht zu erhalten. Dazu kamen die Pferdebuslinien. Waren sie es die der ABOAG vor und während des Krieges zum Überleben geholfen hatten, waren die Vierbeiner jetzt zu einer großen Belastung geworden. Aus diesem Grund entschloß man sich, den Tagesbetrieb mit Pferden einzustellen. Aus Rücksicht auf das langgediente Personal hielt man den Nachtbetrieb noch aufrecht.

Dieser Abbau der Pferdeomnibusse kam natürlich dem Motoromnibus zugute. Die ABOAG verkaufte alle Grundstücke, die auf die Unterbringung von Pferdeomnibussen zugeschnitten waren und füllte so ihre Kasse auf. Dazu kam, dass nun der RK-Wagen gebaut werden konnte, was während des Krieges nicht möglich war. 1922 verfügte die ABOAG wieder über 131 Omnibusse und 1925 über deren 286.

Dieser rasante Aufschwung war nicht zuletzt auf die technische Weiterentwicklung des Omnibusses zurückzuführen. Mit Einführung des Niederrahmenfahrgestells und der Luftbereifung wurden die Omnibusse schneller, ruhiger und sicherer. Doch diese Entwicklung fand zunächst im Ausland statt, denn in Deutschland war durch den Krieg die technische Entwicklung zurückgeblieben.

Die ersten Niederrahmen-Doppeldecker waren dann auch ausländische Fabrikate. Zwei von der englischen Firma Aclo, einer von der amerikanischen Firma Yellow, Chikago und einer von einem New Yorker Hersteller.


Von der englischen Firma Aclo gebauter Doppeldecker mit geschlossenem Oberdeck kam 1925 nach Berlin.

Mit den ausländischen Modellen verabschiedete man sich auch von der Bauweise des Deckomnibusses. Das Oberdeck war nun geschlossen und bot damit auch den Fahrgästen im Oberdeck Schutz vor den Witterungseinflüssen. 1925 erhielt die ABOAG die ersten Doppeldecker von der NAG, dessen Oberdeck geschlossen war.


NAG KO 9/1 - NAG Prototyp mit geschlossenem Oberdeck.

Die Einführung der Doppeldecker wirkte sich für die ABOAG auch positiv auf die Bilanz aus. Viel mehr Fahrgäste nutzten nun das geschlossene Oberdeck, was sie bisher bei schlechtem Wetter oder an kalten Tagen gemieden hatten. Linien die mit Doppeldeckern bedient wurden, wiesen 20% höhere Fahrgeldeinnahmen aus.

1928 erhielt die ABOAG eine Lieferung von 175 Doppeldeckern der Baureihe NAG D 2. Es war eine Weiterentwicklung des zweiachsigen Omnibustyps. Trotzdem wurde noch die bewährte Holzspantenbauweise für den Aufbau beibehalten, weil Metallaufbauten als zu schwer angesehen wurden, weil das Gesamtgewicht seinerzeit nicht größer als 9 Tonnen sein durfte.


NAG D 2 – Baujahr 1928.

Am 10. Juni 1927 hatte Berlin dann seine Sensation: Der erste Doppeldecker mit 3 Achsen und Niederdruck-Ballonreifen wurde von der ABOAG in Dienst gestellt. Mit den Musterfahrzeugen dieses Typs hatte ma Erfahrung gesammelt und dabei unter anderem festgestellt, dass der Radstand von 5.500 mm für den Stadtverkehr nicht geeignet war. Für die 1928 zu liefernde Serie entschloß man sich, den Radstand auf 4.250 mm zu verkürzen um die Wendigkeit des Busses zu erhöhen.

Die ersten Busse dieses Typs wurden noch ohne vorderen Einstieg geliefert. Die Busse der Anschlußserie erhielten dann einen vorderen Einstieg und bei vielen anderen Bussen wurde der Vordereinstieg nachgerüstet.


Büssing D 3 – Baujahr 1927.

Natürlich erregten diese Dreiachs-Doppeldecker in Berlin Aufsehen. Wegen ihrer Größe und ihres Fassungsvermögens erhielten sie von den Berlinern den Spitznamen „Jumbo“. Auch die Presse widmete sich dieses Bussen in positiver wie auch in negativer Form.


Eine Karikatur auf die 1927/28 eingeführten Dreiachs-Doppeldeck-Busse.

Das waren auch die letzten Neuanschaffungen die die ABOAG tätigte. 1926 wurde Ernst Reuter als Stadtrat für das Verkehrswesen in den Berliner Magistrat gewählt. Er trieb den Zusammenschluß der bisher selbstständigen Unternehmen ABOAG, Berliner Straßenbahn-Betriebs-GmbH und der Gesellschaft für elektrische Hoch- und Untergrundbahnen voran. Am 1. Januar 1929 nahm die Berliner Verkehrs-Aktien-Gesellschaft (BVG), die dafür bereits im Vorjahr gegründet worden war, den Betrieb auf. Alle Betriebsmittel und Konzessionen der ABOAG und auch der anderen Gesellschaften gingen nun auf die BVG über. Die Liquidationsabwicklung der ABOAG übernahm der langjährige Direktor Robert Kaufmann.


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