Ehemalige Bushersteller
NAG – Nationale Automobil GmbH
28.08.2011 - 01:00

NAG – Nationale Automobil GmbH
1901 richtete die AEG unter ihrem Generaldirektor Dr. Emil Rathenau im Kabelwerk Oberspree eine Automobilabteilung unter dem Namen Neue Automobil GmbH ein. Aber anstelle einer eigenen Automobilkonstruktion übernahm man erst einmal die AAG-Allgemeine Automobil-Gesellschaft mbH. Obwohl diese Gesellschaft eigentlich als Vertriebsgesellschaft für Elektromobile ins Leben gerufen wurde, befasste sie sich auch mit der Herstellung von Motor-Dreirädern. Die NAG ließ zunächst ihre Pkw und später auch Nutzfahrzeuge auf Rechnung bei der AEG-Automobilabteilung produzieren. 1908 entschloss sich die AEG, die gesamte Autoproduktion an die NAG abzugeben. Die nun für Vertrieb und Produktion hauptverantwortliche NAG wurde dann 1912 in die Neue Automobil AG (NAG) umgewandelt, deren Aktienmehrheit die AEG behielt. 3 Jahre später wurde sie dann in Nationale Automobil AG umbenannt.


10 PS NAG C III – Linienbus von 1906

Nach 1904 begann die NAG Luxus-Pkw, Lastwagen und Omnibusse zu konstruieren und zu bauen. Zunächst fertigte man Hotelomnibusse auf verstärkten Pkw-Fahrgestellen, danach ging man zum Bau regulärer Omnibusse über. Das erste Modell war der Typ J IV mit einem 18-PS-Zweizylindermotor. Dem folgte bald ein Decksitzomnibus und 1906 als kleinerer Typ der CIII mit geschlossenem Aufbau. Das letzte Modell in diesem ersten Programm war 26-PS-Vierzylinder-Omnibus, dessen Sitzplätze in Erster- und Zweiter-Klasse unterteilt waren.


NAG Zweiklassen-Omnibus von 1906

Die Höchstgeschwindigkeit des Busses betrug ca. 30 km/h. Ab dem Baujahr 1907 wurden auch die Oberdeck-Omnibusse mit Kardanantrieb ausgestattet. Gleichzeitig erhielten die Motoren eine für die NAG-Fahrzeuge typische Motorhauben-Rundverkleidung hinter einem kreisförmigen Kühler. 1913 erhielten die Fahrzeuge das nächste Facelift, welches auf die Entwürfe von Ernst Neumann-Neander zurückging. Diese neue Motorhauben-Optik erlaubte auch die Unterbringung von größeren Triebwerken.


Ein NAG 100 TYP 7 von 1913 für die BVG-Berlin. Er verfügte innen über 13 Sitz- und 4 Stehplätze. Außen standen 8 Stehplätze zur Verfügung. Die rote Lackierung war versuchsweise nach dem Londoner Vorbild erfolgt, sie setzte sich aber nicht durch.

Ab 1913 wurden die Stadtomnibusse mit größeren 32-PS-Motoren ausgestattet. Die Oberdeck-Omnibusse erhielten Motoren mit 33/45-PS. Dazu kamen Vorgaben der ABOAG, die einen verbesserten Kardanantrieb, eine überarbeitete Kupplung, automatische Umlaufschmierung und eine geänderte Innenausstattung vorschrieben.


NAG Doppeldecker von 1913

Während des 1. Weltkrieges wurden von der NAG hauptsächlich Militärfahrzeuge und Motoren gefertigt. Nach dem Krieg wurde 1921 das erste Nachkriegsprogramm aufgelegt. Die ersten Fahrzeuge waren ein Aussichtswagen und ein Doppelstockmodell mit einer Zweiklasseneinteilung. Erstmals wurden die Fahrzeuge nun mit einem ab der Hinterachse gekröpften Fahrgestell gebaut. Als Antrieb diente ein 45-PS-Ottomotor. Die Räder hingegen wurden wieder mit Ketten angetrieben, weil keine gehärteten Zahnräder zur Verfügung standen.


NAG Aussichtswagen

Die Doppeldecker waren nun aus Sicherheitsgründen im Oberdeck geschlossen. Erneuert wurde 1923 der Doppeldecker, indem er einen stark über der Hinterachse abgekröpften Rahmen für den Perron erhielt.


NAG KO 9/1 mit geschlossenem Oberdeck, 1925

1924 Überarbeitete die NAG ihre Nutzfahrzeugpalette. Dabei wurden die Motoren auf einen einheitlichen Kolbenhub umgestellt (NAG-Einheitsmotor). Die Aggregate mit hängenden Ventilen und vier Zylindern (Z-120 und Z-135) sowie die sechs Zylindermotoren (Z-135) leisteten 55 bis 75 PS. Um möglichst kleine Wendekreise zu bekommen, wurde die Vorderachse bei den Typen „8“ und „9“ sehr weit zurückgesetzt, teilweise bis unter den Fahrersitz. Hierbei entstand ein Fahrgestell, bei dem die halbe Fahrerkabine links oder rechts angeordnet und auf die halbe Länge der Motorhaube, die nun wieder oval war, vorgezogen werden konnte.

1926 erschien ein zeitgenössischer eleganter Niederrahmen-Omnibus vom Typ KO 9 mit Ovalhaube. Er wurde von dem nun 65-PS leistenden Z-135-Motor angetrieben. Von diesem Bus mit Oberlichtern und Dachgepäckträger gingen größere Stückzahlen an die Reichspost. 1928 kamen dann die C-108-Sechszylinder-Ottomotoren zum Einsatz, in deren Folge die Kühler und Motorhauben wieder kantig wurden.


NAG-Typ K 9 für die Reichspost, 1926

In dieser Zeit geriet die NAG zum ersten Mal in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Trotzdem übernahm man die Protos-Automobile GmbH von der SSW-Siemens-Schuckertwerke AG, was 1928 dazu führte, dass man nun die Pkw-Marke „NAG-Protos“ mit den Pkw-Typen 204 bis 208 im Angebot hatte.

Der größte Omnibus, den die NAG im Programm hatte, basierte auf dem „NAG-6-Zylinder, 70 PS-Großflächen-Lastwagen“ in 6x4 Hochrahmenbauweise mit ovaler Motorhaube. Ihm folgte 1928 das KO 12-Sechsradfahrgestell mit kantigem Kühler und über den beiden Hinterachsen gekröpften Rahmen. Angetrieben wurde es von dem neuen 10,8-Liter-Ottomotor mit 120 PS.


NAG-D 2 für die ABOAG, 1928

1929 kam noch eine etwas größere Niederrahmen-Bauart hinzu. Sie verfügte über 23 feste Fahrgastsitze und wurde von einem 100-PS-Sechszylinder-Maybach-Motor angetrieben. Diese Leipziger NAG-Presto-A-Typen trugen am Kühler nun kein NAG-Zeichen mehr, sondern den Schriftzug Büssing-NAG, denn sie sollten durch Büssing-NAG vertrieben werden.

Als letzte NAG-Presto-Modelle in der gemeinsamen Büssing-NAG-Palette erschienen 1930 noch die Typen 401, 507/508, 511, 516 und 518. Es waren Klein- bzw. Midibusse (wie man heute sagen würde) die von 40-, 52- und 70-Ps-Motoren angetrieben wurden. Die Aufbauten für die NAG-Bussen wurden Ende der zwanziger Jahre vor allem von der EVA/Eisenbahn-Verkehrsmittel-AG Berlin, der Waggonfabrik Talbot in Aachen, den Vereinigten Westdeutschen Waggonfabriken mit ihrem Werk Gastell in Mainz-Mombach und Orenstein & Koppel in Berlin-Spandau hergestellt.

In den Jahren 1929/30 wurden auf Druck der NAG-Hausbank und der Büssing KG Verhandlungen mit Büssing über eine Zusammenarbeit geführt. Dies führte dazu, dass 1930 die Nutzfahrzeugabteilung der NAG mit dem gesamten Maschinenpark auf die mit der Büssing KG gegründete Büssing-NAG Vereinigte Nutzkraftwagenwerke AG (BNV) überging. Ein Teil des NAG-Werkes in Berlin-Oberschöneweide produzierte noch Antriebsaggregate, ein anderer Teil wurde als Reparaturwerk genutzt. Das frühere NAG-Presto-Werk in Chemnitz erwarb die Auto-Union AG. Die Büssing-NAG, Vereinigte Nutzkraftwagenwerke AG (BNV) mit Sitz in Frankfurt/Main erlosch am 1. Januar 1950, da die Sowjetbesatzung den gesamten Besitz der NAG in Berlin-Oberschöneweide und in Leipzig-Wahren enteignet und demontiert hatte. Der Restteil in der Wilhelminenstraße wurde zum VEB Reparaturwerk Berlin-Ost.


NAG 3 AZ Luxus-Reisebus mit 100-PS-Maybachmotor und Aufbau von Lindner, 1930


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