Ikarus Karosserie- und Fahrzeugwerk
Die Geschichte der Ikarus Karosserie- und Fahrzeugwerke begann im Jahre 1895, als Imre Uhry eine Werkstatt für Schmiede- und Wagenbau gründete. Im Laufe der Jahre wuchs die Firma und es wurden neben den Schlosserteilen nun auch Fahrzeuge gebaut. 1920 verließ dann der erste Lkw die Hallen, dem 1924 der erste Omnibusaufbau folgte.
Die Belegschaft von Uhry´s Betrieb
Ab 1927 begann dann die Serienproduktion von Omnibussen in größeren Stückzahlen auf dem Raba-Chassis vom Typ „L“. Die Weltwirtschaftskrise ging aber auch an Uhry nicht vorbei und 1932 wurde ein Liquidationsverfahren gegen die Firma Uhry eröffnet. Während dieses Verfahrens hatten aber die Söhne von Imre Uhry einen Großteil des Maschinenparks aufgekauft und gründeten 1933 die „Gebrüder Uhry Automobilkarosserie- und Fahrzeugwerke“.
Omnibusaufbau auf dem Fahrgestell Mavag N 2, 1936
Bis 1944 erlebte die Firma einen raschen Aufschwung, der zum Teil auch den Rüstungsaufträgen geschuldet war. Das führte sogar soweit, dass man ab 1942 ins Flugzeuggeschäft einstieg. Die in Csepel arbeitende Flugzeugwerkstatt wurde 1942 unter dem Namen Flugzeugwerke AG in eine Tochtergesellschaft umgewandelt, dessen größtes Aktienpaket die Gebrüder Uhry hielten.
Omnibusaufbau auf dem Fahrgestell Mavag N 26, 1938 - 1944
1945 begann man mit dem Wiederaufbau der völlig zerstörten Werkhallen und konnte schon bald mit der Reparatur von Lkw- und Pkw-Aufbauten beginnen. Dazu kam der Bau von Pontons für den Bau der provisorischen Donau-Brücke. Doch schon drohte wegen mangelnder Aufträge die nächste Pleite. Aus diesem Grund wurde das Werk der Zentralstelle für Schwerindustrie angeboten.
Jetzt kam das zweite Vorgängerunternehmen ins Spiel. Im Jahre 1916 wurde die Ikarus Maschinen- und Metallwaren AG gegründet. Die beiden Gründer – Erney Móric und Jenõ Vécsel – waren anerkannte Fachleute der Fahrzeugindustrie.Diesem Unternehmen wurde zuerst die Benennung Ikarus Automobil- und Fahrzeugwerke AG zuerkannt. Dieses Unternehmen wurde im Frühjahr 1948 verstaatlicht und in das bereits verstaatlichte Unternehmen der Gebrüder Uhry eingegliedert. Aus den beiden Betrieben entstand am Anfang des Jahres 1949 dann das Ikarus Karosserie- und Fahrzeugwerk.
Noch vor der Verstaatlichung hatte man bei Uhry damit begonnen einen eigene Busse zu konstruieren. Zuerst einen größeren Bus auf einem Fahrgestell, den TR 5 und danach einen kleineren mit einem selbsttragenden Gerippe, den TR 3,5.
Ikarus TR 5, 1947
Der TR 3,5 war bewusst schlicht gehalten, um den Kunden keinen hohen Kaufpreis aufzubürden. Er verfügte über einen 4-Zylinder-Ottomotor und stammte von Rába-Super. Seine maximale Leistung betrug 65 PS bei 2.200 U/min und einem Hubraum von 3.770 cm³. Mit einer Länge von 7.730 mm und einem Radstand von 4.500 mm konnte er 40 Personen befördern, wobei 17 Sitzplätze zur Verfügung standen.
Ikarus TR 3,5 - 1948
Trotz des selbsttragenden Fahrgestells, war der Motor vorne eingebaut und konnte mit dem Getriebe nach vorne herausgezogen werden. Insgesamt wurden 66 Stück von diesem Bus gefertigt. Die Fertigung wurde aber nicht weitergeführt, weile die staatliche Leitung den bau des Rába-Super-Motors eingestellt hatte und die neue Automobilfabrik Csepel noch keine Motoren liefern konnte.
Das Gerippe des Ikarus TR 3,5
Den Modellen TR folgten dann das Modell M 5 und danach das Modell Ikarus 60 und Ikarus 60 T.
Ikarus 60
Ikarus 60 T
Auf dem Genfer Automobilsalon wurde 1951 dann der Ikarus 30 vorgestellt. Er verfügte ebenfalls über ein selbsttragendes Gerippe und wurde von einem Csepel-Motor angetrieben, der 125 PS leistete. Bei einer Länge von 8.250 mm konnten damit 43 Personen befördert werden. Später entstand aus diesem Modell der Ikarus 31.
Ikarus 30, 1951
1952 stellte Ikarus seinen ersten Bus mit Heckmotor vor, den Ikarus 66. Diesem Modell folgte dann noch der Ikarus 55. Die Serienfertigung begann 1954 und bis zur Einstellung der Produktion 1973 wurden von den Typen 55/66 („Rakete“) mehr als 16.000 Einheiten gefertigt.
Ikarus 66
Ikarus 55
1954 wurde der Ikarus 60 weiterentwickelt zu den Typen 601/602. Aus denen entstanden 1959 letztendlich die Typen 620/630.
Ikarus 620
Durch Weiterentwicklung und weitere technische Verbesserungen an dem Modell Ikarus 31 entstand daraus 1960 der Typ Ikarus 311.
Ikarus 311
Für den Großstadtverkehr wurden inzwischen aber größere Busse benötigt. Da die von Csepel gelieferten Motoren für solche Busse zu schwach waren, griff man nun auf Motoren der Firma Rába zurück, die MAN-Motoren in Lizenz fertigten. So entstanden die Typen 556, 557 und 180 die mit Unterflurmotoren ausgestattet waren.
Ikarus 557
Ikarus 180
Mitte der 60 ger Jahre ging die Entwicklung dahin gehend, dass man eine „Einheitsbaureihe“ für alle Einsatzzwecke schaffen wollte. Das war erforderlich, weil man zum einen die Typenvielfalt bereinigen musste, zum anderen, weil Ikarus inzwischen zum Buslieferanten des RGW-Abkommens ernannt worden war. In der Praxis hieß das, Ikarus musste nun den gesamten Ostblock mit Omnibussen beliefern.
So stellte man 1967 die neue Baureihe 200 vor, die sich, Dank RGW-Abkommen, zur erfolgreichsten Baureihe die je aufgelegt wurde, entwickelte. Bis zu ihrem Ende wurden mehr als 270.000 Einheiten gebaut und Ikarus wurde zeitweilig der größte Omnibushersteller der Welt.
Ikarus 250
Nach der Vorstellung des Ikarus 250 wurde die Baureihe weiterentwickelt und erweitert. So hatte man zum Schluss folgende Typen:
Typ | Beschreibung | | 211 | Midibus von 8,5 m Länge | | 250/255/256 | Reisebusse in diversen Ausführungen (Abbildung: Typ 256) | | 260 | Solobus von 11 m Länge für den Stadt- und Überlandverkehr Midibus von 8,5 m Länge | | 261 | Typ 260 als Rechtslenker-Version | |
Typ | Beschreibung | | 263 | 12 m Solobus für Stadt- und Vorortverkehr (Ab 1989) | | 266 | 11 m Solobus für den Stadt- und Überlandverkehr (1979 - 1982) | | 280 | Gelenkbus für Stadt- und Überlandverkehr mit einer Länge von 16,5 m | | 281 | Typ 280 als Rechtslenker-Version | | 283/284 | Schubgelenkbus im Stil des Typs 280 mit Heckmotor | | 293 | Ikarus 280 als Doppelgelenkbus | |
Von den zuvor aufgeführten Typen gab es dann noch verschiedene Untervarianten sowie verschiedene Ausführungen der Türanordnung. Außerdem wurden auch Oberleitungsbusse gefertigt, dessen Ausstattung von Ganz, Hitachi oder BBC stammten. Desweiteren wurden auch noch verschiedene Prototypen gebaut.
Ikarus 260 T
Ikarus 280 T
Neben der Produktion von Linien- und Reisebussen, wurden bei Ikarus auch verschiedene Flughafen-Vorfeld-Busse gefertigt. Diese basierten einerseits auf der Baureihe 200, andererseits waren es völlig neue Eigenkonstruktionen.
Ikarus 290
Ikarus Flughafen-Vorfeld-Bus
Ikarus Flughafen-Vorfeld-Bus
Für Stadtrundfahrten baute Ikarus ebenfalls besondere Busse als Einzelstücke. Diese waren zum Teil als Cabriolet ausgelegt.
Ikarus 200 als Cabriolet
Die Zeit von ca. 1970 bis Ende der 80 ger Jahre waren für Ikarus die erfolgreichsten Jahre, was die gebauten Stückzahlen angeht. So wurde 1977 der 100.000ste Bus gebaut und schon 1984 verließ der 200.000ste Bus das Werk.
Obendrein gelang es Ikarus seine Busse auch in nichtsozialistische Länder abzusetzen, wie z.B. USA, Südamerika, Afrika, Finnland und Schweden, nur um einige zu nennen. Nach Kuba verkaufte man CKD-Kits, die in Kuba dann zusammengebaut wurden.
Mitte der 80 ger Jahre erschienen die ersten Prototypen der neuen Baureihen. Sie umfassten die Reihe 300 für Reisebusse, die Reihe 400 für Stadtbusse und die Reihe 500 für Midibusse. Die Fahrzeuge der Baureihe 200 wurden auf Kundenwunsch weiterhin gefertigt.
Ikarus 385
Ikarus 415
Ab den 90ger Jahren kam Ikarus dann in schweres Fahrwasser, was den Geschäftsbetrieb anging. Durch die Auflösung der RGW-Staaten und dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik brach der Absatz von Omnibussen massiv ein. Der letzte Bus an die DDR wurde 1990 an die BVG-Ost geliefert. Danach konnten nur noch vereinzelte Einzelstücke an diverse Verkehrsunternehmen geliefert werden. Auch der Absatz in die osteuropäischen Länder kam ins Stocken, weil diese die Busse nicht mehr mit Transfer-Rubel, sondern mit harten Devisen bezahlen mussten, welche in den Ländern aber größtenteils nicht vorhanden waren.
1991 wurde der Riese Ikarus dann wieder aufgeteilt. Einmal in die Ikarus Fahrzeugbau AG, die sich mit dem Bau von Linienbussen befasste und in die EAG, der der Bau von Luxus- und Midibussen oblag. Gleichzeitig mit der Privatisierung ging man auch Kooperationen mit anderen Herstellern ein, welche da waren: Volvo, Scania, MAN, Iveco, Renault, Saurer, VW, Mercedes und Steyr. Hierbei wurden verschiedene Modelle auf den jeweiligen Fahrgestellen der Kooperationspartner aufgebaut.
Ikarus 555 auf Volvo-Fahrgestell
Ikarus 577 auf Scania-Fahrgestell
Ikarus 521 auf VW-LT 55-Fahrgestell
Ikarus 543 auf MAN-Fahrgestell
1995 feierte Ikarus sein 100jähriges Bestehen. Auf der IAA 1996 stellte Ikarus gemeinsam mit EAG sein neues Omnibusprogramm vor, was viel Anerkennung fand. Es umfasste neben den Typenreihen 200, 300, 400 und 500 auch die E-Typen, die neu vorgestellt wurden.
Ikarus E 97 SHD „Raven“
Ikarus E 99 DD „Blaue-Donau Super Club“
Ikarus 397 SHD „Blaue-Donau Super Club“
Aufgrund der wirtschaftlichen Lage, wurde Ikarus 1999 Mitglied der Irisbus-Gruppe bis 2006. Irisbus beendete in 2000 die Produktion in Budapest Mátyásföld, schloss 2004 auch den Standort Székesfehérvár. Lediglich über die EAG (Special Coach Factory) wurden bis zur Schließung 2007 unter Irisbus-Regie noch geringe Stückzahlen hergestellt. 2006 gingen die Markenrechte IKARUS an Gábor Széles über. Zusammen mit dem ungarischen Busproduzenten Magyar Autóbuszgyártó Kft. fertigt man seit 2009 wieder Omnibusse unter dem Traditionsnamen IKARUS in Budapest Mátyásföld. Inzwischen wurde der neue Typ Ikarus HB 122 L vorgestellt, der in erster Linie für den chinesischen Markt gedacht ist. Weitere Typen sollen folgen, sodass Ikarus vielleicht wieder an seine ehemalige Geschichte anknüpfen kann.
Fotos:
Ikarus
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